Dienstag, 25. Juni 2019

Offroad in den Norden von Olchon

Bereits kurz vor 8 Uhr kommt Gregori, unser heutiger wunderbar deutsch sprechender Fahrer und Guide, in den Frühstücksraum, um uns für eine Exkursion in den Norden der Insel abzuholen. Eigentlich war zwar 8.30 Uhr vereinbart, aber Gregori erklärt, dass ab heute Mittag Regen erwartet wird, und dann das Fahren auf den unbefestigten Pisten unmöglich wird. Und jetzt, wo wir inzwischen zurück sind, beginnt es in Strömen zu regnen. Viel Spaß an die vielen Chinesen, die uns auf unserer Rückfahrt entgegen kamen.

Grigori gibt uns vielfältige Informationen über die Insel. Beispielsweise, dass es hier mehr als 300 Sonnentage gibt und die Winter  minus 35 Grad kalt werden. Allerdings ohne ! Schnee aber mit starkem Sturm mit Windgeschwindigkeit von 160 km/h.

Der hier häufig auftretende starke Wind ist für die auf der Westseite der Insel ausgebreitete Steppenlandschaft, neben dem geringem Niederschlag, verantwortlich. Dahinter kommt Lärchen- und Kiefernwald, keine Birken.
Im Juli und August treten kurze tropische Regenfälle auf.


Kurz nachdem wir losfahren entscheiden sich zwei aus unserer Gruppe, lieber wieder auszusteigen, da es doch zu holprig war. Und es sollte nicht nur genau so weiter gehen, sondern die Piste wandelte sich immer wieder in sehr tiefe mehrspurige Spurrillen und teils tiefe Gräben quer zur Fahrbahn. Man braucht unbedingt einen festen Magen und einen stabilen Rücken. Fotografieren während der Fahrt war meist unmöglich.


Wir kommen an einem kleinen Gebäudekomplex vorbei und Grigori erzählt, dass es sich um einen ehemaligen Gulag handelte, der von 1940 bis 1953 nach Stalins Tod in Betrieb war. Die Zwangsarbeiter mussten in der "Nebenstelle der Fischfabrik", wie er beschönigend bezeichnet wurde, Fischprodukte verpacken.


Gregori hat Deutsch und Englisch auf Lehramt in Irkutsk studiert. Er ist 1.500 km nördlich von Vladiwostok aufgewachsen und musste für diese Fächerkombination in das entfernte Irkutsk gehen, wo er letztlich auch blieb. Nach der Wende endete seine Tätigkeit als Hochschullehrer in diesen Fächern und er musste auf die schnelle eine neue Einkommensquelle für sich und seine Familie finden. Dabei hat er sich aufgrund seiner Sprachkenntnisse für den Tourismus entschieden.

Goethe war ihm daher sehr vertraut und erzählt die Geschichte, in der Goethe gebeten wurde, aus den beiden Begriffen "Haustürklingel" und "Mädchenbusen" ein Gedicht zu bilden.
Die Geschichte ist zu lang zum "swipen" auf dem Smartphone und daher hier nachzulesen:
https://www.zitateundsprueche.com/die-haustuerklingel-an-der-wand-der-maedchenbusen-in-der-hand/

Über unwegsame Pisten bringt Gregori uns mit seinem sehr hoch gebauten 4WD Bus zu den schönsten Aussichtspunkten, wo wir Gelegenheit zum Fotografieren haben.


Letztes Ziel ist das "Kap der Liebe", bevor es auf dem gleichen Weg zurück geht. Jetzt machen sich auch schon die ersten Regentropfen bemerkbar.


Gut, dass wir Gregoris Vorschlag angenommen und früh losgefahren sind. Einerseits wegen des beginnenden Regens und andererseits waren wir an den Aussichtspunkten allein.

Auf dem Rückweg kommt es dann wie erwartet: die Chinesen kommen uns in russischen Taxibussen entgegen. Die Fahrzeuge wurden vor Jahrzehnten für militärische Zwecke entwickelt und teilweise nach dem Aussehen zu urteilen auch gebaut.


Gregori empfiehlt, unbedingt den südlichen Teil der Insel zu besuchen, da dieser schöner und deutlich einfacher zu befahren sei - leider zu spät für unseren eng getakteten Zeitplan.

Wir erfahren auch die Bedeutung des Ortsnamens von Chuschir: "Salz lecken", da es im Boden natürliche Salzvorkommen gibt, an denen das Wild leckt. Die Bezeichnung Olchon bedeutet "Wäldchen". Gregori hat vielfältige Informationen über Flora und Fauna im Repertoire, die er auf gekonnt humorvolle Art preis gibt.

Nachdem wir gegen 12.30 Uhr zurück in Chuschir am Mini-Hotel Baikal ankommen, packt Grigori ein üppiges Lunchpaket aus, dass seine Frau an frühen Morgen für uns vorbereitet hat. Wir genießen die leckeren Speisen und den aus gesammelten Kräutern gebrühten sehr schmackhaften Tee. In der Dose mit grünem Salat waren neben Tomaten und Gurkenscheiben wie hier auf fast allen Gerichten auch einige Zweige Dill.


Während des Lunchs bereden wir mit dem gebildeten Gregori dies und das und erweitern dabei unseren Horizont. Die verschiedenen Sichtweisen in unserer Gesprächsrunde laden zum Nachdenken ein und fördern das gegenseitige Verständnis. 

Nach dem Lunch im Frühstücksraum des Hotels - es regnet zeitweise in Strömen -warten wir auf den Fahrer aus Irkutsk, der uns dorthin zurück bringt. Die zum Hotel gehörende Toilette im Garten lässt von außen das vermuten, was sich drinnen befindet. Wie hier schon oft erlebt: ein Plumpsklo.

Die Zimmer in den Holzhäusern, in denen wir übernachtet haben, waren allerdings mit einer gewöhnlichen Toilette und Dusche ausgestattet.


Wasserleitungen sind in den kleinen Orten hier nicht vorhanden. Wer es sich leisten kann, und das sind nur sehr wenige Bewohner, bekommt Wasser von einem Tankfahrzeug geliefert. Die anderen haben einen Brunnen.

Heute habe ich aufgrund der Wartezeit endlich mal etwas mehr Zeit, um diese Zeilen zu schreiben. Bisher habe ich das oft zwischendurch während der Autofahrten erledigt, was zu vielen Tippfehlern und aufwändiger Nacharbeit führt.

Dimitri kommt gegen 16.15 Uhr und wir begeben uns wieder auf die 36 km unbefestigte Matschpiste und hoppeln über eine Stunde bis zum Fährhafen.

Nach 20 Minuten Überfahrt erreichen wir das Festland und haben kurz Zeit für einen teilweise sehnsüchtig erwarten Toilettenbesuch.


Nach weiteren Stunden Fahrt im Regen erreichen wir nach 270 km gegen 21.30 Uhr unser Hotel Rus in der schönen Stadt Irkutsk, in dem wir vor zwei Tagen bereits übernachtet haben.